Montag, 20. September 2010

Heimspiel

In der Woche vor unserem Urlaub wurde meine Mutter schwer krank ins Krankenhaus gebracht. Der Urlaub wurde temporär aufgehoben, verschoben oder wie man immer das auch nennen will. Und ich bin daheim, Tochter und Schwester.

In Anbetracht der Tatsache, dass daheim gerade keine Bombenstimmung herrscht und ich auch aus einer zugegebenermaßen hässlichen Stadt komme, die einen deprimieren kann, wenn man nicht damit umzugehen weiß, kann ich meinen Freund verstehen, der nach einigen Tagen zu seinen eigenen Eltern fährt.

Mehr Zeit für mich, um mehr Haushalt zu machen. Wenn ich nichts anderes zu tun habe kann ich problemlos stundenlang putzen und bügeln und Haushalt machen. Haushalt gibt es daheim genug. Da die negative Seite der möglichen Diagnose meiner Mutter extrem beschissen ist, stürze ich mich gerne zur Ablenkung in die letzte Ecke dieses Hauses und erledige Staub und Bakterien mit Meister Proper und co.

Ich fahre ein bis zweimal täglich die 20 Kilometer in die Klinik, sitze am Bett meiner Mutter, streichle ihre dünne Hand, creme ihre Arme ein, lächle ihr aufmunternd zu und fülle Wassergläser nach. Sie sieht jeden Tag etwas besser aus, aber das Fieber will einfach nicht verschwinden und ich denke an die Untersuchungen, die ihr noch bevorstehen.

Apropos: Liebe Autofahrer aus dem Landkreis Calw. Auch wenn die Fahrschulen bei euch offenbar einhellig beschlossen haben das Kapitel Mindestabstand zu ignorieren: es gibt ihn. Halber Tacho sag ich nur, Bremsweg und so. Und man kann sich, sogar im Dunkeln, an den weißen Pollern am Rand orientieren. Ihr wollt wohl die Unfallstatistik auf der Drecksstrecke weiter hoch halten. Schon klar, seit Polt weiß jeder, dass es in diesem Land Menschen gibt, denen wos pressiert, aber die schönen Blumen am Straßenrand, die wachsen nicht von alleine da. Ihr habt sie doch nicht alle!

Zuhause könnte ich eigentlich den kompletten Tag am Telefon verbringen, denn es kommt nicht nur der tägliche Kontrollanruf meiner Tante aus Uruguay (Wie geht es deiner Mutter? Hat sie was gegessen? Was genau? Wer ist bei ihr? Was sagen die Ärzte? Wie geht es deinem Vater?. Freunde, Bekannte und Familienmitglieder erkundigen sich nach meiner Mutter und Handwerker, ehemalige Schüler und weitere rufen aus den völligst unterschiedlichen Gründen an.

Ich brauche Ablenkung. Samstag gehe ich los und kaufe ein: Schokoladentrüffel, ein Schälchen (mein Allheilmittel gegen fast alles), Gisbert zu Knyphausen CD und New Moon DVD (ich weiß, perverserweise kann ich mir den immer wieder reinziehen, auch wenn er so schlecht ist).

Und am Abend gehe ich los, mit meiner Freundin Hanne. Eine Abend voller Gin Tonic und etwas Bier. Im Salt n Pepper (?) gibts Drum n Bass, genau mein Ding. Aber du wolltest dich doch ablenken, sagt Hanne. Wir gehn ins Mokka, das ist immer schön.
Gegen 1 sind wir mit Hanne und ihren Kommilitonen im Salt n Pepper und es ist gar nicht übel. Kleiner Laden im Keller. Und mein ewiger DJ Michael Müller legt auf. Ich bin immer wieder überrascht, dass er immer noch unterwegs ist.
Bist du der Sohn vom Heiner Müller frage ich einen Burschen. Er sieht so aus, wie ich mir vorstellen könnte, dass dieser Sohn eines Lehrers unserer Schule heute aussehen könnte. Ich kann mich nicht an seinen Namen erinnern. Ich fand ihn mit 16 oder so ganz süß und wartete immer an der Bushaltestelle, um zu sehn ob er kam und um ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Das Highlight war es, ihn in der Eislaufhalle zu treffen. Aber wie erklärt man das jemandem in einem Club? Leider verstehe ich seine Antwort nicht und der Name fällt mir erst später ein. Sebastian.
Offenbar war er es nicht.
Diesmal lasse ich es mir nicht nehmen Michael Müller anzuquatschen. Du kennst mich nicht, aber du bist mein ewiger DJ, der Dj meiner Jugend! Er findet das super, freut sich, wann wo und überhaupt und fragt wie ich von der Party erfahren habe. Er erzählt mir, dass er nur noch im Duo unterwegs ist und zeigt auf seinen DJ Partner. Ausserdem sagt er, dass er die Lautstärke nicht mehr so verträgt und ob ich noch ein Paar Ohrstöpsel dabeihabe.

Na, ist viel los? frage ich den Taxifahrer.
Seit Stunne. Sisch echt was los hoit. Im Fläsch, im Casa isch Revival, im Plus.
Gut, sage ich. Gut fürs Geschäft.
Ha ja, besser so als annersch.

Am Sonntag kann ich nicht mehr. Ich ziehe meinen Hund spazieren und lasse den Besusch meiner Mutter ausfallen. Dann schaue ich den Rest des Tages DVDs. Morgen ist Montag. Montag ist Arzttag.

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